Erasmus Austausch Türkei 2019 – Anreisetag

Nach der Ankunft am Flughafen in Izmir hieß es erst einmal Geld tauschen. Hier wurden die im Flugzeug geübten Türkischbrocken der Schülerinnen, sehr zur Freude der Angestellten am Schalter, bereits erfolgreich eingesetzt. Dann ging es weiter zum Ausgang, wo wir von den drei türkischen Lehrern erwartet wurden, die uns aufs herzlichste begrüßten und einen klimatisierten Transport organisiert hatten. Doch kaum waren wir losgefahren, wurden wir von der Polizei angehalten. Die Verkehrskontrolle mutierte dann zur Ausweiskontrolle. Der sehr von sich überzeugte Chef der Einheit bestand darauf, alle Ausweise zu fotografieren „Zu unserer eigenen Sicherheit“ wie er mehrfach auf Englisch betonte.

Den Gastgebern war dies (eigentliche grundlos) unglaublich peinlich und sie versuchten, die Kontrolle zu verkürzen und entschuldigten sich nachdem sie vorbei war. Hier zeigten sich in der ersten halben Stunde die zwei Seiten der Türkei, eine Spaltung, die sich (so unser Eindruck) auch durch die Bevölkerung zieht: einerseits unglaublich freundliche Gasgeber, die nichts unversucht lassen um die internationalen Gäste auf best mögliche Weise zu empfangen und zu bewirten, andererseits skurrile Auswüchse eines Staates, der sich in verschiedene bedenkliche Richtungen entwickelt und immer öfter in den Alltag der Leute auf unangenehme Weise eingreift.

Vom Flughafen ging es direkt zur Schule, wo die Schülerinnen zum ersten Mal ihre Gastschwestern trafen. Kurz davor waren die Schülerinnen aufgeregt und fragten sich, wie dies ohne die eine gewisse Unbeholfenheit ablaufen könne. Für uns etwas unorthodox, stellten die Türken kurzerhand beide Grüppchen in einer Reihe gegenüber voneinander auf, stellten die einzelnen Türkinnen vor und leiteten die deutschen Schülerinnen zu ihren Partnerinnen. Spätestens als die ersten (die alle bereits über soziale Medien kommuniziert hatten) sich freudig begrüßen, viel auch die letzte Nervosität von den Schülerinnen ab und sie gingen mit ihren Gastfamilien mit. Als Lehrer beneideten wir sie beinahe um ihre viel unmittelbarere Erfahrung der türkischen Kultur in den Familien, erlebten sie doch alles aus erster Hand, während wir im (zwar sehr guten aber auch sehr abgeschotteten) Hotel untergebracht waren.

Bei der Abfahrt nach einer Woche hatte sich unser Türkei-Bild gewandelt: an Stelle der Mischung von konservativen, autokratischen Ideen, die man mit der Türkei verband waren nun Menschen, ja Freunde getreten, die man als unglaublich weltoffen, gastfreundlich und engagiert erleben durfte, und die man bei uns mit mindestens der selben Offenheit und Gastfreundschaft empfangen möchte. Oder wie eine Schülerin es formulierte: „Oh man die bieten hier so krass viel auf, da müssen wir ihnen bei uns aber auch ordentlich was bieten.“

Und damit dürfte das Hauptziel des Erasmus Programms auch voll und ganz erfüllt sein: Menschen aus verschiedenen Ländern im Austausch der Kulturen, am Interesse an den Unterschieden aber auch an den Gemeinsamkeiten zu verbinden, auch wenn über Organisationsfragen und andere Nebensächlichkeiten verschiedene Ansichten existieren.

Sebastian Finger, begleitender Lehrer